|
|
Tristram Shandy
Titelblatt
einer Erstausgabe
|
The Life and Opinions of Tristram Shandy Gentleman. London, 1759-1766. Von Lawrence Sterne.
«Read, read, read, read, my unlearned reader! read - or by the knowledge of the great saint Paraleipomenon - I tell you before-hand, you had better throw down the book at once...»
|
Der Inhalt
Der Verfasser legt weniger Gewicht darauf, das Leben und die Taten seines Helden zu schildern, als an das Erzählte weitläufige Betrachtungen anzuknüpfen. Was er selbst meint, und was die Hauptpersonen denken, ist ihm viel interessanter, als was sie tun. Dadurch schwoll das Buch an, ohne daß die Erzählung gefördert wurde.
Ein langnasiger Fremder in Straßburg. Illustration von George Cruikshank.
|
Erst am Ende des zweiten Teiles, nachdem nicht weniger als 42 Kapitel am Leser vorübergegangen sind, wird die Entbindung der Frau Shandy berichtet. Im dritten Abschnitt wird eine Abhandlung über die Nasen eingefügt, die zwölf Kapitel umfasst und sich noch in den folgenden Teil heineinzieht.
Die Hauptpersonen sind durchweg Karikaturen: eine Eigenheit, eine Schrulle beherrscht das ganze Wesen jeder einzelnen. Vater Shandy mit seinen wunderbaren philosophischen Betrachtungen, die er aus jedem seiner Gespräche hervorleuchten läßt, und ihm gegenüber Onkel Tobias, der Pläne zu neuen Taten schmiedet oder sich mit dem Korporal Trim über Fortifikationswesen unterhält, sind beide Narren, aber sie sind es in einer so liebenswürdigen und harmlosen Weise, sie verraten bei
|
jeder Gelegenheit eine so große Gutmütigkeit und Menschenfreundlichkeit, daß wir sie gern haben müssen und uns mit all ihren Schwächen aussöhnen. Nicht weniger verrät sich die kindliche Natur des Oheims in seiner Liebe zu der Witwe Wadman, die ihn aber erst selbst sehr ermuntern muß, ehe er ernstliche Schritte tut, um ihre Hand zu erlangen.
Auch der Geburtshelfer Dr. Slop ist schon in seinem Äußeren eine Karikatur. Selbst der Geistliche Yorik, ein Nachkomme des Shakespeareschen Yorik, hat seine Schwächen, aber auch ihn lassen sie nur um so liebenswürdeiger erscheinen.
Der Verfasser hat seine Gestalten nicht, wie es Butler mit seinem Hudibras tat, dem Gespötte preisgeben wollen, sondern sie im Gegenteil als treffliche, ehrenwerte Männer gezeichnet. Vergleichen wir sie mit anderen Leuten, so finden wir das echt Menschliche in ihnen heraus und erkennen die Lehre, daß jeder, wer immer es sei, sein Steckenpferd hat, wenn es viele auch nicht in der Öffentlichkeit reiten. Im Pfarrer Yorik hat Sterne sich selbst geschildert. Yorik ist ein Mann, der gegen die verstellte Ernsthaftigkeit, die mit Heuchelei nahe verwandt ist, ankämpft und durch seine Offenheit und Geradheit oft genug anstößt, aber im Grund ein liebenswürdiger Charakter ist.
|
Corporal Trim liest aus dem Stevinus. Illustration von William Hogarth.
|
Aus: "Geschichte der Weltliteratur" von Carl Busse und "Geschichte der Englischen Literatur" von Richard Wülker
Der Verfasser
Nach Stich von Samuel Freeman
in der Ausgabe des Tristram von 1832
|
Sterne wurde zu Clonmel in Südirland am 24.November 1713 als Sohn eines Offiziers geboren. Da er geistig begabt war, ließen ihn Verwandte 1733 in Cambridge Theologie studieren. 1738 wurde er Vikar zu Sutton-in-the-Forset; später bekam er eine Pfründe in York. 1741 verheiratete er sich und erhielt durch Verwandte seiner Frau eine zweite Pfarrei zu Stillington. 1759 begann er seinen "Tristram Shandy" zu schreiben und ließ in diesem und dem folgenden Jahre die beiden ersten Teile in York drucken. Sieben andere folgten,
|
und doch blieb das Werk unvollendet. 1762 machte er eine Reise nach Frankreich, 1764 reiste er nach Südfrankreich und besuchte auch Italien. Die "Empfindsame Reise durch Frankreich und Italien" erschien bald darauf. Seine letzten Jahre wurden ihm durch Kränklichkeit verbittert. Dazu kam, sein seine Frau mit der Tochter von ihm getrennt in Südfrankreich lebte. An einem Brustleiden, das ihn schon lange gequält hatte, starb er am 18. März 1768 in London.
Aus: "Geschichte der Weltliteratur" von Carl Busse und "Geschichte der Englischen Literatur" von Richard Wülker
|
|
|
«Sterne war der schönste Geist, der je gewirkt hat; wer ihn liest, fühlt sich sogleich frei und schön; sein Humor ist unnachahmnlich, und nicht jeder Humor befreit die Seele»
Johann Wolfgang Goethe
|
|