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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Titelseite der Erstausgabe von 1669
Titelseite der Erstausgabe von 1669
Der Abenteuerliche Symplicissimus Teutsch, 1668-1669
Von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen.

«Ach!» sagte ich zu mir selbst, «Simplici was tust du? du liegst halt hier auf der faulen Bärenhaut und dienest weder Gott noch den Menschen! wer allein ist, wenn derselbe fällt, wer wird ihm wieder aufhelfen? ists nicht besser du dienest deinen Nebenmenschen und sie dir hingegen hinwiederum, als daß du hier ohn alle Leutseligkeit in der Einsame sitzest wie ein Nachteul?»

Der Inhalt

Simplex Simplizius Simplizissimus, der abenteuerliche Simplizissimus Teutsch, beginnt seine Erzählung mit den Ereignissen, die den zehnjährigen Knaben heimatlos machen. In noch größerer "Tumbheit" als Parzival, ohne Ahnung von Gott und Welt, ist er im Spessart, "allwo die Wölffe einander gute Nacht geben," unter bäuerlichem Strohdach aufgewachsen, die Schafe hütend und die Sackpfeife blasend.
Ein "Troup Courassirer" zerstört das Hirtenidyll und bricht plündernd und Schändlichkeiten verübend in das Haus seines "Knäns", seines (vermeintlichen) Vaters. Auf den Rat einer von den Soldaten übel zugerichteten Magd flieht der Knabe vor ihnen und kommt nach angstvollem Umheriirren im Walde zu einem frommen Einsiedler, den der spätere Verlauf der Erzählung als seinen rechten Vater enthüllt.

Hier im Walde bringt der einfältige Knabe, der keinen anderen Namen als "Bub" für sich weiß und dieser Einfalt wegen vom Klausner Simplicius genannt wird, über zwei Jahre zu, lernt lesen und auf Birkenrinde schreiben und wird "aus einer Bestia" zum Christenmenschen. Nach des Einsiedlers seligem Tode ist er schutzlos der fremden Welt preisgegeben, in der er alles seltsam findet und in der Mord und Brand des Krieges wüten.

Illustration aus der Ausgabe von 1671
Illustration
aus der Ausgabe von 1671
Im Narrenkleid wie Parzival betritt er diese Welt, wird gefangen vor den Gouverneur von Hanau geführt, der ihn in seinen Dienst nimmt, und ist erst ein Narr, um bald den Narren nur noch zu spielen. Unter der Maske der Einfalt sagt er seinen Quälgeistern die derbsten Wahrheiten und fühlt sich recht behaglich, als feindliche Kroaten ihn aufgreifen und fortschleppen. Von nun an führt er ein Abenteuerleben unter der Soldateska. Mit "Hertzbruder" schließt er eine ihn adelnde Freundschaft auf Tod und Leben; die Narrenkleider vertauscht er mit Frauenzimmergewandung, erweckt aber in solcher Tracht mannigfache Liebespein; nach einer weiteren Prüfungszeit als Rossbub ist er endlich alt genug, um ein rechter Soldat zu werden.

Titelillustration der Erstausgabe von 1669
Titelillustration der Erstausgabe von 1669
Schnell verbreitet sich sein Ruf; als waghalsiger "Jaeger von Soest" unternimmt er kühne und erfolgreiche Beutezüge, findet einen Schatz und steht, reich, schön, berühmt, in der Glanzzeit seines Lebens. Er gerät dann in schwedische Gefangenschaft, aber sie ist recht erträglich: er ergötzt sich an galanten Erlebnissen und kommt dabei auf etwas plötzliche Weise zu einer Frau. Von Cöln aus, allwo er seinen, bei einem dortigen Kaufmann hinterlegten Schatz abholen will, begleitet er zwei junge Adlige nach dem als sehr unsauber geschilderten Paris. Der "Beau Alman" muss hier den sittenlosen Gelüsten der vornehmen Damenwelt Genüge tun, bis er heimlich mit dem Gelde, das er "den gottlosen Weibsbildern durch schändliche Arbeit abverdient" hat, auf und davon geht.

Auf der Rückreise nach Deutschland trifft ihn das Unglück: er erkrankt an den "Kindsblattern", die aus dem Meisterstück der Natur bald einen "grindigen Kuckuck" machen. Der Verunstaltete, dem rasch auch die Mittel ausgehen, hilft sich als Quacksalber fort, betrügt die Bauern, wird im badischen Philippsburg wider Willen zum "Musquetirer" gepresst, von "Hertzbruder" befreit und ergibt sich schließlich in völliger sittlicher Verwilderung, von seinem bösen Geist Olivier verführt, einem Räuberleben. Oliviers Tod macht dem ein Ende, und mit Hertzbruder, den er in jammervollem Zustande antrifft und aufs beste pflegt, unternimmt Simplex eine Wallfahrt nach Einsiedeln. Sein Gewissen regt sich; er klagt um die verlorene Unschuld; er bekehrt und bekennt sich öffentlich zur katholischen Kirche, beichtet und kommuniziert, wird auf kurze Zeit wieder in die Kriegsläufe verwickelt, fühlt aber mehr und mehr ein Ruhebedürfnis.

Seine erste Frau ist im Kindbett gestorben; Hertzbruder wird ihm auch durch den Tod genommen. Eine zweite Ehe mit einem Bauernmädel verläuft unglücklich: die junge Frau ist liederlich, lässt das Hauswesen verlottern und trinkt sich ins Grab. Da übergibt Simplex das erstandene Bauerngut seinem alten Knän aus dem Spessart, den er wiedergefunden hat und der ihm seine adlige Abkunft enthüllt, lebt selber eine Zeitlang beschauhlich dahin und lernt dann auf einer phantastischen Fahrt die Wunder des Mummelsees kennen, durch den er zum Mittelpunkt der Erde gelangt. Weite Reisen führen ihn einige Jahre über unterschiedliche Meere und zu vielerlei Völkern, ehe er sich nach Friedensschluss von neuem bei seinem Knän niederlässt. Da sitzt er vor seinen Büchern, überdenkt sein mühsames Leben, und immer stärker fühlt er die Wahrheit, dass in der Welt keine dauernde Freude, dass nur der Wechsel beständig ist, dass - wie die Devise auf allen Kupfern der Simplizissimus-Ausgabe von 1671 lautet - "der Wahn betreugt". In dieser Erkenntnis sagt er der Welt, der unreinen Welt Ade und wird ein Einsiedler in Waldeinsamkeit, wie sein Vater gewesen.

Bis hierher hatte die erste, leider verlorene Ausgabe des Romans von 1668 geführt. Der große Erfolg rief die feigen Freibeuter der Literatur, die Nachdrucker auf den Plan, und um das Originalwerk vor den unberechtigten Ausgaben zu kennzeichnen, fügte Grimmelshausen ein sechstes Buch hinzu. Es ist mit seinen Gespenster- und Teufelserscheinungen lange nicht mehr so notwendig und selbstverständlich wie alles Frühere, und wir könnten dieses Phantasiespiel, das den Simplex noch einmal in die Welt führt, gut entbehren. Von Interesse ist nur der Schluss: schiffbrüchig wird Simplizissimus mit einem Gefährten auf eine einsame Insel im Meere verschlagen, und dort leben sie wie die ersten Menschen - eine Robinsonade fünfzig Jahr vor Robinson Crusoe. Illustration aus der Ausgabe von 1671
Illustration
aus der Ausgabe von 1671

Aus: "Geschichte der Weltliteratur Literatur" von Carl Busse.

Der Verfasser

Wir wissen von seinem irdischen Wandel nur wenig; erst seit 1837 ist sein unter Pseudonymen und anagrammatischen Spielereien versteckter Name wieder klargestellt worden. Wir wissen, dass er Hans Jakob Christoffel von Grimmelshauen hieß, etwa 1625 im hessischen Gelnhausen geboren ward, aus geringer lutherischer Familie stammte, als zehnjähriger Knabe von Truppen gen Kassel entführt ward und später als Musketier hier und da auftaucht. Wir wissen weiter, dass er zum Katholizismus übertrat, sich 1649 zu Offenburg verheiratete, 1659 sein erstes Buch herausgab, 1667 als bischöflich straßburgischer Schultheiß für den badischen Ort Renchen bestellt ward und dort am 17. August 1676 gestorben ist.

Aus: "Geschichte der Weltliteratur" von Carl Busse.

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»... ein Erzählwerk von unwillkürlicher Großartigkeit, bunt, wild, roh, amüsant, verliebt und verlumpt, kochend vor Leben, mit Tod und Teufel auf Du und Du, zerknirscht am Ende und gründlich müde einer Blut, Raub, Wollust sich vergeudenden Welt, aber unsterblich in der elenden Pracht seiner Sünden.«

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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch-Taschenbuch
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Das Hörbuch auf englisch


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