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Hesperus
Hesperus oder die 40 Hundsposttage
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Hesperus oder 45 Hundsposttage (1795) Von Johann Paul Friedrich Richter (Jean Paul).
«Die Erde ist das Sackgäßchen in der großen Stadt Gottes - die dunkle Kammer voll umgekehrter und zusammengezogner Bilder aus einer schönern Welt - die Küste zur Schöpfung Gottes - ein dunstvoller Hof um eine bessere Sonne - der Zähler zu einem noch unsichtbaren Nenner - wahrhaftig, sie ist fast gar nichts.»
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Der Inhalt
Mit dem "Hesperus" begründete Jean Paul 1795 seinen Ruhm. In diesem Erziehungsroman wird das Thema der "Unsichtbaren Loge" - Ausgleich zwischen Ideal und Wirklichkeit - bedeutender aufgenommen. Der Held ein junger Arzt, der seinem vermeintlichen Vater das Augenlicht rettet, seine Ideale an einem kleinen thüringischen Hof zu verwirklichen trachtet, damit scheitert, in seine "überquellende Gefühlsinnerlichkeit" zurückflüchtet und schließlich eine hohe, ätherische Mädchenseele gewinnt.
In bizarren Verwicklungen und Verwechslungen, die jeder Nacherzählung spotten, bewegt sich die Handlung; bizarr ist auch die äußerliche Einteilung in "Hundsposttage" statt in Kapitel; von düsterem Hintergrund muss sich der Glanz hoher Seelen abheben. Humor und Sentimentalität verschlingen sich, üppig wuchert philosophisches Rankenwerk, ein saftstrotzender, aber erdrückender Gedankenreichtum quillt aller Enden empor.
Aus: "Geschichte der Weltliteratur" von Carl Busse
Der Verfasser
Als Sohn eines Lehrers und Organisten, der Theologie studiert und spät eine hübsche Kaufmannstochter aus Hof geheiratet hatte, war Johann Paul Friedrich Richter am 21. März 1763 in Wunsiedel am Fichtelgebirge geboren. Der Vater erhielt 1765 das Pastorat in dem Saaledürfchen Joditz, 1776 das besser dotierte in dem Marktflecken Schwarzenbach. Erst hier besuchte der Knabe regelmäßig die Schule, und die Erinnerung an seine Kindheit im ärmlichen Pfarrhaus war später des Dichters sicherster Besitz: die einzige Wirklichkeit, die der "ewige Jüngling" Jean Paul rein abzeichnen konnte. |
Jean Paul Friedrich Richter Nach der Zeichnung von E. Förster
| Von Ostern 1779 ab besuchte er das Gymnasium in Hof, schon hier von materiellen Nöten bedrängt, da der in Schulden geratene und halb verkommene Vater plötzlich gestorben war. Zur Maturitätsprüfung ritt der 19jährige nach Bayreuth auf einem Mietsgaul, der "vielleicht aus den Zeiten der Apokalypse stammte und längst statt des eignen immer nur fremdes Fleisch trug"; im Mai 1781 ward Jean Paul als Student der Theologie in Leipzig immatrikuliert, nahm es mit dem Studium aber nicht genau und versuchte sich mehr als "witziger" Schriftsteller auszubilden. Fluchtartig, um seinen Gläubigern zu entgehen, verließ er Leipzig 1784 und kam nach Hof zur Mutter zurück die mit ihren Kindern in schrecklicher Armut lebte. Von 1787 an half er sich unter allmählich freundlicher werdenden persönlichen Verhältnissen als Haus- und Privatlehrer durch; seine pädagogischen Erfahrungen gehen auf diese Zeit zurück. Die daneben fleißig betriebene Schriftstellerei fand mehr und mehr Erfolg; das Pseudonym Jean Paul ist unter Französisierung seiner beiden ersten nicht benutzten Vornamen nach dem Muster von Jean Jacques (Rousseau) gebildet; er selbst wollte es auch ganz französisch ausgeprochen wissen, aber schon zu seinen Lebzeiten ward allgemein Jean Paul (nicht Pol) gesagt. Der in seinen jungen Ruhm hineinwachsende Dichter bekam nun bald von romantisch-empfindsamen Damen, besonders von solchen, die im gefährlichen Alter standen, überschwengliche Briefe. Charlotte von Kalb, die vergebens nach Schiller geangelt hatte, zog ihn nach Weimar, wo er Goethe und Schiller kennen lernte, vor allem aber mit dem wesensähnlichen Herder Freundschaft schloss. In den nächsten Jahren war er in Leipzig, Berlin und andern Orten, überall glühend umschwärmt und, wie Julian Schmidt sagt, im Liebesgetändel "mit unzähligen Gräfinnen, Baronessen und Jüdinnen", mit denen er wunderlich-exaltierte Empfindsamkeitsszenen erlebte. Er heiratete 1801 in Berlin die Tochter eines Tribunalrats, Caroline Meyer, ließ sich erst in Meiningen, dann in Koburg, endlich in Bayreuth nieder, wohin ihn das gute Bier zog, und lebte hier bis zu seinem Tode, allerdings nicht, ohne alljährlich den Einladungen auswärtiger Verehrer zu folgen. Der durchaus nicht schöne Mann - er war mittelgroß, hatte eine Glatze und aufgedunsenes, schwammiges Fleisch - bezauberte nach wie vor alle Welt. In den letzten Jahren erfuhr er durch den Tod eines Sohnes, Krankheit und Erblindung noch viel Leid. Er starb in Bayreuth am 14. November 1825.
Signatur des Jean Paul
Aus: "Geschichte der Weltliteratur" von Carl Busse
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«Jean Paul bringt den ganzen Reichtum eines verwickelten Zeitalters, alle Dissonanzen und Anklänge desselben zum Vorschein, mit Witz und Gefühl, mit einer eigenen Manier der Laune, aber in einer so buntscheckigen Schreibart, wie das Zeitalter sich selbst darstellt.»
Friedrich Schlegel
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